Kategorie: Aktuelles

Aghet: Türkei interveniert

Pressemitteilung

Angriff auf die Meinungsfreiheit: Türkei interveniert bei EU-Kommission gegen Dresdner Sinfoniker

24. April 2016

Die Ständige Vertretung der Türkei bei der Europäischen Union verlangt von der EU-Kommission die Einstellung der Unterstützung des Konzertprojekts „aghet – ağıt“ der Dresdner Sinfoniker. Die EU-Kommission und die Exekutivagentur für Bildung, Audiovisuelles und Kultur (EACEA) kamen der Forderung nicht nach.

Eine hochrangige Quelle aus der EU-Kommission hat außerdem bestätigt, dass man dem Verlangen der türkischen Botschaft, die Projektbeschreibung von der Website der EU-Kommission zu nehmen, nachgekommen ist. Hintergrund soll die Überarbeitung und „Entschärfung“ der Formulierung sein. Es wurde allerdings bestätigt, dass die Kommission und die EACEA voll und ganz hinter dem Projekt stehen.

„Dass die türkische Regierung nun selbst vor Einflussnahme auf die freie Meinungsäußerung in Kunst und Kultur auf europäischem Boden nicht zurückschreckt, ist ein Warnsignal. Sie verlangt einen Maulkorb für Botschaften, die ihr nicht passen und überschreitet damit eine weitere Grenze. Völlig klar ist, dass wir einer Vermeidung des Begriffes Völkermord nicht zustimmen werden. Es ist mehr als überfällig, zu einer gemeinsamen europäischen Haltung gegenüber dieser tragischen Episode der türkischen Geschichte zu kommen. Der Genozid an den Armeniern und dessen Leugnung durch die türkische Regierung strahlt in die Gegenwart aus und ebnet den Boden für die maßlose Gewalt gegenüber der kurdischen Bevölkerung. Das Appeasement durch die EU-Kommission macht Europa zum Mittäter“, sagt Marc Sinan. Der Komponist und Gitarrist hat sowohl deutsche, türkische als auch armenische Wurzeln und ist einer der Initiatoren von „aghet – ağıt.

Das von der EU geförderte Konzertprojekt thematisiert den Genozid an den Armeniern. Das Ziel von „aghet – ağıt“ ist das gemeinsame Gedenken und die Versöhnung über die damaligen Geschehnisse. Durch die Zusammenarbeit von deutschen, türkischen und armenischen Musikern und Komponisten wird dies in dem Projekt bereits beispielhaft verwirklicht.

„Wir haben schon 2014 in unserem Projekt „Dede Korkut“ die Erfahrung gemacht, dass allein die Benennung des Genozids genügt, um die türkische Regierung auf den Plan zu rufen. Damals zogen das türkische Ministerium für Tourismus und Kultur und die aserbaidschanische Botschaft unmittelbar vor der Premiere ihre Unterstützung zurück“, erklärt der Intendant der Dresdner Sinfoniker Markus Rindt.

Die nächste Aufführung von „aghet – ağıt“ im Dresdner Festspielhaus Hellerau wird am 30. April 2016 stattfinden. Am 29. April um 19 Uhr ist das theaterpädagogische Vermittlungs-projekt dazu, „Die 40 Tage des Musa Dagh“ mit Schülerinnen und Schülern zweier Dresdner Gymnasien unter der Regie von Tom Quaas, zu sehen. Im November 2016 soll „aghet – ağıt“ in Istanbul, Belgrad und Jerewan gastieren. Die Intervention der Türkei zeigt, wie wichtig gerade das Konzert in Istanbul für die gemeinsame Vergangenheitsbewältigung ist.


Aghet: Konzert in Brandenburg

Aktuelles

Kammerkonzert in der St. Gotthardtkirche

1. Mai 2016 | 17 Uhr
Brandenburg an der Havel

Vache Sharafyan (Armenien)
Geigen-Trio Look lovingly, O merciful Father
Stanko Mladic, Mersiha Teskeredzic und Sigrid Penkert, Violine

Cenk Erbiner (Türkei)
Viola-Duo In letzter Sekunde
Cenk Erbiner und Sasa Mirkovic, Viola

Ulvi Cemal Erkin (Türkei)
Streichquartett
Stanko Mladic und Sigrid Penkert, Violine
Eda Aslanoğlu, Viola und Sabine Grüner, Cello

Vache Sharafyan
Surgite Gloriae
für Viola, Duduk, Horn, Bariton/Altus und Streichorchester
Matthias Worm, Viola
Araik Bartikian, Duduk
Evelin Varga, Horn
Carl Thiemt, Bariton/Altus
Musikerinnen und Musiker der Dresdner Sinfoniker mit armenischen, türkischen, bosnischen und serbischen Gästen
Dirigent: Premil Petrović

Eintritt frei – um Spenden wird gebeten

Im Anschluss an das Konzert laden die Dresdner Sinfoniker ihr Publikum zu einem Gespräch mit den Musikern und den Komponisten zum Thema „Völkermord an den Armeniern“ in das Interkulturelle Zentrum an der Gotthardtkirche herzlich ein.


Die 40 Tage des Musa Dagh

Die vierzig Tage des Musa Dagh

Theaterstück nach dem gleichnamigen Roman von Franz Werfel mit Schülerinnen und Schülern der 9. Klassen des Vizthum-Gymnasiums und des Gymnasiums Dresden-Plauen

Fr, 29. April 2016 | 19 Uhr
HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden

Regie: Tom Quaas | Dresdner Sinfoniker unter der Leitung von Premil Petrovic

Es war das Jahr 1915, als das Bergmassiv des „Musa Dagh“ südlich der heutigen türkischen Stadt Iskenderun zum Schauplatz eines Ereignises wurde, das im Kontext des Genozids an den Armeniern vor hundert Jahren absolut einzigartig blieb: 5000 Bewohner aus sechs armenischen Dörfern flohen auf den „Mosesberg“, um gegen die herannahenden Truppen der Türken Widerstand zu leisten. Diese bewegende Geschichte hat Franz Werfel zum Kern seines 1000-seitigen Romans gemacht. Die vierzig Tage des Musa Dagh gilt vielen als das wichtigste literarische Werk zum Völkermord an den Armeniern überhaupt.

Im Rahmen des musikalischen Erinnerungsprojekts aghet – ağıt beschäftigen sich nun seit Anfang des Jahres rund 60 Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe des Gymnasiums Dresden-Plauen und des Vitzthum-Gymnasiums unter der Leitung des Regisseurs und Schauspielers Tom Quaas mit einer Dramatisierung dieses großen Stoffs. Mit der Uraufführung am 29. April im Festspielhaus Hellerau möchte die junge Theatertruppe unter Mitwirkung der Dresdner Sinfoniker die hochaktuellen Themen aus Werfels Roman Rassismus, Vertreibung und ethnische Säuberung einem breiten Publikum nahe bringen. Von Pegida umbrandet wollen die jungen Akteurinnen und Akteure vor allem eins: ihr Stück als Haltung, als politisches Statement verstanden wissen.

Am 23. April (18 und 20 Uhr) waren Ausschnitte aus ‚Die vierzig Tage des Musa Dagh‘ im Rahmen der Langen Nacht der Dresdner Theater im Festspielhaus Hellerau zu erleben.

Die Sächsische Kunstministerin Eva-Maria Stange lobte das Projekt am 30. April 2016 ausführlich in einer Pressemitteilung.

Ein Vermittlungsprojekt der Dresdner Sinfoniker im Rahmen des Konzertprojektes aghet – ağit. Wir danken herzlich für die Unterstützung: Creative Europe Programm der Europäischen Union, Hauptstadtkulturfonds, Auswärtiges Amt, Landeshauptstadt Dresden – Amt für Kultur und Denkmalschutz, Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank, Fonds Soziokultur und Bundeszentrale für politische Bildung.