Sächsische Zeitung
Gern mal ein Spektakel
30. Juli 2008
Eine Jazzband gründen – das war die Ur-Idee. Oder besser gleich ein Orchester? Solche leicht verrückten Scherze entstehen unter Leuten wie Markus Rindt (gelernter Hornist), Tom Götze (Bassist) und Sven Helbig (Schlagzeuger). Nur – was das Dresdner Trio eines Sommerabends 1996 in der Felsenbühne Rathen ausheckte, wurde bald richtig Ernst. Denn die Klänge in ihren Köpfen – das war bald klar – ließen sich mit wenigen Leuten nicht machen.
Es waren nicht nur Dresdner Kollegen, die bald mit ins Boot stiegen, um sich als „Dresdner Sinfoniker“ mehrmals pro Jahr mit Herz und Verstand und ohne Gage zeitgenössischer Musik zu widmen. Auch Berliner Philharmoniker, Musiker des Tonhalleorchesters Zürich und einiger weiterer Klangkörper gehörten bald zum Kreis. Im Juli 1998, vor zehn Jahren, gab der Klangkörper unter Jonathan Nott sein erstes Sinfoniekonzert. 2000 Begeisterte erlebten im Dresdner Kulturpalast nicht Beethoven oder Brahms, sondern eine Uraufführung und eine europäische Erstaufführung. Überregional sah man ein Wunder an der Elbe – verständlich in einer vom Orchestersterben gekennzeichneten Zeit.
Seitdem zeigen sich die Dresdner Sinfoniker flexibel, farbenfroh und facettenreich wie eine Band. Und denkbar breit interessiert. Musik von John Adams bis Frank Zappa, moderne Klänge aus der Mitte des Abendlandes, aus Mittelasien und dem Reich der Mitte – stets ist das Orchester auf der Suche nach dem Ungewöhnlichen oder Ungehörten. Enthusiasmus und langer Atem machen das kaum Mögliche möglich, etwa die manuelle Rückholaktion von John McLaughlins „Apocalypse“ von Tonträger auf Notenpapier. Ohnehin liegt hoher Aufwand in der Natur der Sinfoniker-Projekte. Ein gewisses Kokettieren mit dem Spektakel ist dabei legitim, bringt es doch oft erst die gebührende Aufmerksamkeit. Allerdings waren die Begegnungen mit Rammstein („Mein Herz brennt“, 2003) und den Pet Shop Boys („Panzerkreuzer Potemkin“, 2004 und 2006) auch Grenzerfahrungen. Beide Male hieß es, sich dem Großen klar unterzuordnen.
Das Horn, das Rindt einst im Landesbühnen-Orchester blies, liegt heute im Kasten. Seit der Geburt der Dresdner Sinfoniker hat er das Musikmachen weitgehend dem Ermöglichen von Musik geopfert. Für das Orchester leben heißt für ihn heute telefonieren und organisieren, animieren und argumentieren. Dies umso mehr, seit durch den Weggang Sven Helbigs vor zwei Jahren die Fäden allein bei ihm zusammenlaufen.
Nach einiger Stille zuletzt verspricht das Jubiläumskonzert am 6.September unter Olari Elts ein Ereignis in bekannter Sinfoniker-Manier zu werden: eine Collage aus Orchester, Rocktrio und Bigband. Werke von Torsten Rasch und Enrico Chapela erblicken das Licht der Welt. Der Clou wartet zu Beginn: Dirigent Michael Helmrath, den Sinfonikern seit Anbeginn treu, kann nicht wirklich kommen, er erscheint aber immerhin virtuell im Dresdner Kulturpalast. Als etwas verrückter Straßenmusiker wird er von London aus die „Star-Wars“-Ouvertüre leiten.