Lausitzer Rundschau
Multimedia-Spektakel aus Film, Licht und Musik
22. Juli 2008
Das hat es so noch nie gegeben! Und es war zweifelsohne eine gewaltige Herausforderung: Die «Hochhaussinfonie» auf der Prager Straße in Dresden am späten Donnerstagabend zählt zu den besonderen Höhepunkten der Stadtfestwoche zum 800-jährigen Bestehen der Elbestadt.
Keine Bühne, kein Orchestergraben und keine engen Stuhlreihen – als Konzertort hatten sich die Veranstalter den 37 Meter hohen und mit 240 Metern längsten bewohnten Plattenbau Europas ausgesucht. Die Musiker, die Dresdner Sinfoniker, verteilten sich auf 43 beleuchtete Balkone und das britische Pop-Duo Pet Shop Boys thronte über der Leinwand, auf der Eisensteins «Panzerkreuzer Potemkin» flimmerte. Und als wäre das alles noch nicht genug, schwebte der US-amerikanische Dirigent Jonathan Stockhammer in einem Kran-Korb meterhoch über der einstigen DDR-Vorzeige-Flaniermeile und gab von dort aus den Takt für die Musiker an. Mehr als 10 000 Menschen standen davor und sahen dem ungewöhnlichen Spektakel zu.
Bevor jedoch Eisensteins Stummfilmklassiker «Panzerkreuzer Potemkin» auf der zwischen den Balkonen angebrachten Leinwand anlief, wurden Original-Sequenzen und Fotos auf die Fassade des teilweise noch bewohnten Blocks projiziert, die sich mit der Geschichte der DDR und dem Platz zwischen Dresdner Hauptbahnhof und Altmarkt auseinander setzten. Denn der Ort für das multimediale Spektakel aus Film, Licht und Musik wurde sorgfältig ausgewählt. Durch seine wechselvolle Geschichte und seine Rolle als Brennpunkt während der politischen Wende 1989 ist die Prager Straße ein wahrhaft historischer Ort, der die Wirkung von Eisensteins Film noch verstärkt.
Bilder aus Überwachungskameras und aus den Archiven Dresdner Bürger reflektierten die Geschehnisse auf eindrucksvolle Weise und zeigen: Hier ist die Geschichte nicht erloschen, sondern sehr lebendig. Nicht zuletzt durch die Menschen, die 1989 dabei waren und die auch heute noch zum Teil auf der Prager Straße wohnen. Die Musik zur «Hochhaussinfonie» schufen Neil Tennant und Chris Lowe gemeinsam mit den Dresdner Sinfonikern bereits im Jahr 2004. Sie ist eine Mischung aus den elektronischen, pop-orientierten Klängen, mit denen es den «Pet Shop Boys» gelang, sich weltweit einen guten Namen zu machen und mehr als 30 Millionen Platten zu verkaufen, sowie der Tiefe und Fülle eines klassischen, aber dennoch modernen Klangkörpers.
So entstand nach Edmund Meisel und Dmitri Schostakowitsch jetzt die dritte offizielle Vertonung des Films, die im September 2004 vor 35 000 Zuschauern auf dem Londoner Trafalgar Square uraufgeführt wurde.
Andreas Weihs