Sächsische Zeitung
Musikalische Mauerspechte – Geigensolo durchs Gitter
6. April 2017
Die Dresdner Sinfoniker planen ein spektakuläres Konzert auf beiden Seiten des Grenzzauns zwischen den USA und Mexiko.
Im vergangenen Jahr legten sie sich mit der türkischen Regierung an, die das Konzertprojekt „Aghet“ der Dresdner Sinfoniker über den Genozid an den Armeniern prompt als Provokation interpretierte und gegen dessen Finanzierung protestierte. Das für 13. November in Istanbul geplante Gastspiel im Generalkonsulat wurde schließlich vom Auswärtigen Amt abgeblasen. Egal, am 3. Juni 2017 setzen die Musiker eins drauf und nehmen sich US-Präsident Donald Trump zur Brust – exakt am Rand von dessen eigenem Land.
Unter dem Motto „Tear down this wall“ wollen die Sinfoniker samt Gastinstrumentalisten und einer guatemaltekischen Sängerin am Vormittag des 3. Juni in Tijuana, also auf mexikanischer Seite des Grenzzauns, populäre Songs und Eigenkompositionen spielen, während auf US-Seite diverse Kollegen einstimmen. Nur wenige Schritte entfernt, doch durch das Drahtgeflecht des Zauns kaum zu sehen. Sinfoniker-Chef Markus Rindt: „Wir setzen damit ein Zeichen gegen Abgrenzung, Fanatismus und Nationalismus, gleichzeitig initiieren wir weitere Konzerte, Kunstaktionen oder Performances an dieser Mauer.“ Am besten über die gesamte Zaunlänge von 3 200 Kilometern. Was genau mögliche Mitstreiter tun, sei ihm herzlich egal. „Es spielt keine Rolle, ob jemand einen Kopfstand macht oder ein Orchester dirigiert – Hauptsache ist, dass viele Haltung zeigen.“ Etliche Musiker, vor allem aus den USA, hätten schon begeistert ihre Teilnahme zugesagt, täglich würden es mehr. Gut möglich, dass auch ein paar Prominente mitmischen. „Roger Waters von Pink Floyd habe ich direkt angefragt“, so Rindt. „Bisher kam aber noch keine Antwort.“
Die geschätzten Kosten von 15 000 Euro will er weltweit über das Crowdfunding-Portal Kickstarter zusammenbekommen. „Spenden die Leute mehr als wir brauchen, weiten wir das Projekt auch aus.“ Übers Internet wird der Sinfoniker-Auftritt live nach Europa übertragen, eine Filmdokumentation inklusive Videos von allen sonstigen Zaun-Aktionen ist zudem geplant. Die Idee für diese Aktion kam Rindt vor ein paar Wochen, als er die Junitermine der offiziellen Sinfoniker-Mexikoreise festmachte, zugleich aber von den Wir-bauen- eine-schöne-Mauer-Reden Trumps entrüstet war. „Einem Ex-DDR-Bürger geht bei solchen Sprüchen doch naturgemäß der Hut hoch.“ Fest steht schon jetzt: Selbst für die Event-erfahrenen Dresdner Sinfoniker wird diese Nummer ihre bisher größte.