Kategorie: Medienecho

Hasretim: Tagesspiegel

Der Tagesspiegel

Wilde Tänze, sirrende Pfeile

23. März 2013

Halbzeit der Berliner Märzmusik: eine anatolische Reise und Großwerke aus
den sechziger Jahren.

Eine „anatolische Reise“ führt in das den musikalischen Umbrüchen im türkisch- arabischen Mittelmeerraum gewidmete Thema der Märzmusik. Unter dem Titel „Hasretim“ („Meine Sehnsucht“) zeigt sie sich als „musikalische Installation“ des türkisch-armenisch-deutschen Komponisten Marc Sinan, in deren Orchesterpart Videodokumentationen anatolischer Volksmusiker eingespielt werden. Zunächst erscheinen Ebenen mit schroffen Bergrändern in der Dämmerung, zum Krächzen vorüberflatternder Krähen, wie kein Reiseprospekt dies schöner vermöchte. Die Bühne des Kammermusiksaals füllt dazu ein eindrucksvoller Halbkreis blinkender Posaunen und Klarinetten, hochaufragender Langhalslauten und wuchtiger Trommeln: Unter der temperamentvollen Leitung von Andrea Molino findet das um türkische und armenische Gäste erweiterte Istanbuler Hezarfen-Ensemble mit Mitgliedern der Dresdner Sinfoniker zusammen. Dabei dominiert die musikalische Folklore: Die Melismen der armenischen Flöte Duduk mit durchdringendem Schalmeienklang, die Rhythmen von Darbuka und Rahmentrommel übertönen zaghafte Streicherpizzikati oder selbst Posaunen- oder Fagott-Einwürfe. Ein wenig „Eulen nach Berlin tragen“ ist das schon – auf jedem Kreuzberger Straßenfest hört man diesen Klang, und nur an fragmentarischen Zersplitterungen ist auszumachen, dass hier „modern“ weiterkomponiert wurde. Spannender wirken die Videos – die zerklüfteten, tief melancholischen Gesichter der lautenspielenden Sänger oder wilde Tänze höchst vitaler Mädchengruppen ohne jeden Schleier.

Isabel Herzfeld


Rajasthan: Münchner Feuilleton

Münchner Feuilleton

I EXIST: Das andere Indien

30. März 2017

Der Gitarrist und Komponist Marc Sinan hat keine Scheu vor komplexen Themen. Mit der Klangperformance »I EXIST – nach Rajasthan« spürt er den Ursprüngen der Roma-Kultur nach.

Die Roma sind die größte ethnische Minderheit in Europa – und stammen aus Indien. Das hat ein internationales Forscherteam dank genetischer Analysen festgestellt. 2012 veröffentlichten die Forscher der Universität Pompeu Fabra in Barcelona diese Ergebnisse. Der Musiker und Komponist Marc Sinan hörte davon, und sein Interesse war geweckt. Vier Jahre später reiste er mit einigen Freunden und Kollegen in den nordindischen Wüstenstaat Rajasthan, begab sich auf die Spuren der »indischen Roma« und kehrte mit einem Musikprojekt zurück. Am 3. April wird »I EXIST – nach Rajasthan« als abendfüllendes szenisches Konzert mit Videoinstallationen, Bühnenbild und Orchester im Technikum im Münchner Werksviertel erstmals über die Bühne gehen.

Marc Sinan, der Gitarrist, Komponist und Dozent, macht sich zu den Fragen ethnischer Minderheiten immer wieder Gedanken. Er hat einen deutschen Vater und eine türkisch-armenische Mutter. Seine armenische Großmutter hat ihm vom Völkermord an den Armeniern berichtet und erzählt, wie sie dem Tod nur knapp entkam. Das in diesem Zusammenhang entstandene Projekt »Komitas« über den armenischen Priester und Musiker gleichen Namens wurde 2015 anlässlich des 100. Jahrestags des Völkermordes aufgeführt und bot Anlass für politische Debatten, nachdem die Türkei die Aufführung verhindern wollte.

Sinans viertes dokufiktionales Musiktheater widmet sich nun den Fragen nach der Herkunft der Roma. Wie die Forscher in Barcelona herausgefunden haben, stammen alle Roma von einer kleinen Bevölkerungsgruppe ab, die vor ca. 1500 Jahren im Nordosten Indiens lebte. Von dort aus wanderten die Urahnen der heutigen rund elf Millionen Roma über den Balkan nach ganz Europa aus. Für das Projekt »I EXIST« reiste Marc Sinan bis nach Dundlod, drei Autostunden nordwestlich von Jaipur. Vor Ort entwickelte er zusammen mit einigen Künstlern eine Kombination von Musik, Videos und unterschiedlichem Tonmaterial, das er zu einem komplexen multimedialen Musiktheater kombinierte. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung mit der Ursprungskultur in der Ferne, inspiriert von den Mythen der alten Geschichten und den Erkenntnissen der aktuellen Forschung.

Und das Projekt wuchs zu beachtlicher Größe heran. »I EXIST – nach Rajasthan« ist eine Gemeinschaftsproduktion der Marc Sinan Company / YMUSIC mit den Dresdner Sinfonikern und steht unter der Schirmherrschaft der Deutschen UNESCO-Kommission e.V. Initiator der Münchner Erstaufführung ist die Whitebox im Münchner Werksviertel, mit dabei sind neben Sinan und den Dresdner Kollegen auch die Sängerin Iva Bittová und für das Bühnenbild das Künstlerehepaar Damian und Delaine Le Das. Neben dem eigentlichen Konzert ist Sinans Klangkulturperformance außerdem Teil eines umfassenden Künstleraustausches, der mit dem Schwerpunkt Indien auch bildende Künstler in die Ateliers des Werksviertels holt.


Rajasthan: The Hindu

The Hindu

A stage for home grown arts

17. November 2016

Shekhawati Utsav proves that there is more to Rajasthan than forts, desert and camels.

As my taxi changes gear from highway to village-dirt-lane, a street dog barking furiously runs along side us for sometime. I can hear strains of music wafting through the morning stillness. And we head in that direction.

Musicians from the Islāmic faith singing bhajans at dawn in the courtyard of the quaint Hanuman Dhora temple, opens the festival. State Minister for Finance, Arjun Meghwal, who is here to inaugurate, sits cross-legged on the dhurrie with turbaned old men in white and women in bright red Rajasthani saris, with their heads covered. A few parked government SUVs to my left and camels to my right. Desert sand beneath my feet and peacocks looking for breakfast, complete the picture.

I am at Momasar, a small village 250 km north-west of Jaipur. It is the 6th edition of Shekhawati Utsav, organised by Jaipur Virasat Foundation that works to keep and promote traditional art forms of the state. The two-day festival showcases 200 artists from various regions and attracts a few thousand people, mostly from nearby villages, to this remote hamlet. Among the audience are also a handful of die-hard fans from abroad.

I meet a group which is from the U.S. and various European countries. “Marc and I chanced upon this festival last year and this year we are here to perform. Yes, we were suggested city gigs but we settled for this unique village one,” says Markus from Germany. In a first, this edition features a non-Rajasthani band of Marc Sinan and Iva Bittova.

With a local guide, we stroll through the maze of lanes for local attractions such as temples and century-old charming havelis. Patwari ki Haveli, an exquisite heritage building of Momasar, is the venue of ‘Music in the afternoon.’ A group of women sing welcome-songs at the massive door. Among the range of activities in the courtyard include men spinning yarn from drop-spindle, rope-making demonstration and young students of wood-craft displaying their creative works. “This reflects the motive of our Foundation – preserve and encourage tradition in all forms,” says Vinod Joshi, director of JVF and the force behind this festival, which is also about him giving back to his birth place.

Along the wall, Kathodi performers present a unique image as two men play a vertical wind instrument, a man on scraper and another rubs a thin metal rod placed over a brass plate to produce the drone effect. “They live in the forest and make their own musical instruments,” says Joshi. A flight of stairs in the haveli leads to a space, open to the skies where 80-year-old Safi Mohammed sings with gusto.

As the light starts to fade, we head to a farm. A dimly lit makeshift platform offers space for more folk art traditions. A red-turbaned, white dhoti clad man with anklets thumps his feet and moves his arms to the beat and the singing of two men playing the maante drum, a large claypot – their silhouette creates a surreal effect.

Marc and Iva’s music is a novelty for the villagers. The day ends at midnight at Taal Maidan with ‘Kuchamani Khayal,’ a performance based on the story of legendary characters Raja Harischandra and Rani Taramati. This is a folk-theatre tradition from the Nagaur region, and on the decline. The format resembles that of therukoothu.

The morning events of the next day are curated to involve children. ‘Baal Mela’ features a few thousand young boys and girls from 13 different schools in the village to get them re-acquainted with their rich roots. “This is crucial for the future of what we are now involved in,” says Joshi, who is keen on covering the entire spectrum in his quest. The children get to see artists who do not make it to the stage this year, apart from competitions and workshops.

For the grand finale in the evening, hoards of villagers stream in. The brightly lit Taal Maidan is buzzing. The Rajasthani decor for the stage is apt. A kaleidoscope of folk forms unfold that include dhol-thali, kalbeliya, gair, bhapang, kachhigodi and sahariya swang dance. It all ends in the wee hours of the morning. Though a comfortable hotel stay is some 35 km away, to experience folk art at its provenance is an experience. While Langas and Manganiars are invitees on world stage, JVF aims to bring the world to their homes.


Rajasthan: SäZ

Sächsische Zeitung

Fahrendes Musikvolk

24. März 2017

Tief an die indischen Wurzeln der Musik der Roma gehen die Dresdner Sinfoniker.

Seit jeher löst das sogenannte fahrende Volk die unterschiedlichsten Reaktionen aus. Von Neid, Angst, Bewunderung und Abscheu wird die volle Bandbreite an Emotionen entfacht. Dann und wann ertappt man sich eines lauen Sommerabends in der Zivilisation schon mal beim Tagträumen – und der Vorstellung, sein Leben völlig losgelöst von allem, im hart-holpernden Planwagen zu verbringen, dessen Gespann sich nicht sonderlich schert um Staatsgrenzen, Sprachen oder sonstige Barrieren. Ein ähnliches Gefühl muss den deutsch-türkisch-armenisch-stämmigen Musiker Marc Sinan beschlichen haben. Jemandem mit nicht eindeutigen Wurzeln gehen solcherlei Gedanken manchmal besonders nah.

„Beim Projekt ,I EXIST’ geht es ganz klar um Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit, es geht um Stigmatisierung, um Lebenskraft, es geht um die Schönheit von Kultur, die unter allen Umständen entstehen kann oder unter keinen Umständen möglich ist“, so Sinan im Interview mit der Welt-Kultur-Stiftung des Bundes. Und so geht es Sinan, gemeinsam mit der Musikerin Iva Bittová, dem Künstler-Duo Delaine & Damian Le Bas sowie den Dresdner Sinfonikern nicht nur um die mythischen Ursprünge der Roma in Rajasthan/Indien, sondern eben auch um die eigenen Wurzeln.


Rajasthan: Musik Heute

Musik Heute

Dresdner Sinfoniker folgen Spuren der Roma-Musik

31. März 2017

Dresden – Die musikalische Weltreise von Marc Sinan und den Dresdner Sinfonikern geht weiter. In ihrem neuen Projekt ergründen sie die Wurzeln der Roma im indischen Bundesstaat Rajasthan. Am (heutigen) Freitag wird „I Exist – nach Rajasthan“ im Festspielhaus Hellerau uraufgeführt, wie die Veranstalter mitteilten. Als Gäste wirken das No Borders Orchestra, die Sängerin und Geigerin Iva Bittová sowie Musiker aus Indien mit. Das szenisch aufgeführte Stück handelt „vom Überleben und der Kraft, die Sinti & Roma trotz Jahrhunderte langer Anfeindungen und dem Versuch der Auslöschung“ in der NS-Zeit überdauern ließ, hieß es in der Ankündigung.

„Das Publikum erwartet ein durchkomponiertes, szenisches Konzert, in dem sich Marc Sinans zeitgenössische Musik, traditionelle indische Musik mit Video- und Interviewausschnitten von der gemeinsamen Recherchereise nach Indien in einer Bühne von Damian & Delaine Le Bas zu einem Gesamtkunstwerk fügen“, sagte Markus Rindt. Der Intendant der Dresdner Sinfoniker war gemeinsam mit dem deutsch-türkischen Gitarristen und Komponisten Marc Sinan und anderen Akteuren des Projektes auf Spurensuche nach Rajasthan gereist. Dort sollen die mythischen Ursprünge der Roma liegen. Die Ergebnisse des Trips haben sie in einer Collage zusammengefasst.

Die Dresdner Sinfoniker rekrutieren sich aus Musikern führender Orchester Europas und sind der zeitgenössischen Musik verpflichtet. Regelmäßig kommen sie zu Projekten zusammen und widmen sich dabei auch „fremden Klängen“. 2012 hatten sie auf einer Tour durch das Westjordanland die „Symphony for Palestine“ gespielt. Am 21. Dezember 2012 begrüßten sie bei einem „Konzert zum Ende der Zeit“ das neue Zeitalter nach dem Maya-Kalender und waren dabei per Internet mit Musikern in Mexiko verbunden. Zuletzt streckten sie ihre Fühler nach Mittelasien aus und widmeten sich unter anderem dem Völkermord an den Armeniern.

Mit dem Projekt „Aghet“ gerieten die Musiker dabei in die Mühlen der Politik. Nach dem Zerwürfnis mit der Türkei wegen der Völkermord- Resolution des Bundestags sagte das Auswärtige Amt im Oktober 2016 eine Aufführung des Programmes in der deutschen Vertretung in Istanbul ab. Die Türkei wehrt sich vehement gegen die Einstufung der Massaker als Völkermord und lief schon lange vorher Sturm gegen das Konzertprojekt „Aghet“, das von der EU und vom Auswärtigen Amt finanziell gefördert wurde. Auch für das Rajasthan-Programm fließen öffentliche Mittel. Die Kulturstiftung des Bundes ist mit 178 000 Euro Hauptförderer des Projektes.


Rajasthan: DNN

Dresdner Neueste Nachrichten

Uraufführung der Dresdner Sinfoniker im Festspielhaus Hellerau

2. April 2017

Die Dresdner Sinfoniker und Marc Sinan haben sich musikalisch auf die Suche begeben: „Nach Rajasthan“! Im gleichnamigen indischen Bundesstaat (auch als „Land der Könige“ bezeichnet) werden die Wurzeln der Roma und ihrer Kultur vermutet.

 

Text


Tear Down This Wall: NMZ

Neue Musikzeitung

Die Mauer muss weg! / „Tear down this wall!“ – Ein spektakuläres Projekt der Dresdner Sinfoniker

6. April 2017

„Mister Gorbatschow, tear down this wall!“ – wer kennt sie nicht, diese Worte von Ronald Reagan, mit denen der einstige US-Präsident 1987 gegen die Berliner Mauer wetterte? Dreißig Jahre später bekommt dieser Satz eine ganz neue Bedeutung, da Amtsnachfolger Donald Trump eine gigantische Mauer zwischen den USA und Mexiko errichten lassen will.

Dieselben Worte des mittelmäßigen Schauspielers stehen nun über einem spektakulären Projekt der Dresdner Sinfoniker: „Tear down this wall!“ Gemeint sind damit die Pläne des fragwürdigen Immobilienspekulanten, auf etwa 3.200 Kilometer Länge einen unüberwindlichen Grenzwall vom der Atlantik- bis zur Pazifikküste zu bauen. Und sich das auch noch von Mexiko bezahlen lassen will …

Die Dresdner Sinfoniker positionieren sich nun gegen diese „Einmauerung der Welt“: Am 3. Juni wollen sie mit einem Aufsehen erregenden Konzert in Mexiko gegen Trumps Vorhaben protestieren. Kann Musik die Macken der Macht aufhalten?

Dieses freie Ensemble sieht seine künstlerische Arbeit schon immer auch als Engagement gegen bestehendes Unrecht. Ob in Palästina oder Jordanien, ob beim „Aghet“-Projekt gegen den türkischen Völkermord an den Armeniern von 1915 oder ob erst jüngst mit „I EXIST – nach Rajasthan“, als es um die Wurzeln der Roma-Musik ging – die Musiker um Komponist Marc Sinan und Intendant Markus Rindt wollen ein Bewusstsein schaffen für die Gewalt, die Menschen Menschen nach wie vor antun. Mit all diesen Aktionen soll allerdings weniger anprangert denn versöhnt werden. Das ist das verbindende Ziel.

Dank einer Einladung zu Konzerten in Mexiko lag nichts näher, als dabei auch „die geplante Mauer von Donald Trump“ zum Thema zu machen, erklärt Markus Rindt dieses Projekt. „Wir als Ostdeutsche haben natürlich eine spezielle Sicht auf solche Dinge, aber es geht uns nicht allein um diesen neun Meter hohen und angeblich unüberwindbaren Wall, der die USA vom Atlantik bis zum Pazifik dichtmachen soll, sondern um die Einmauerung der Welt.“ Ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs zwischen Ost und West sei diese Tendenz an vielen Orten auch in Europa zu bemerken.

In den pazifischen Grenzorten Tijuana und, die schon jetzt von einer bis ins Meer reichenden Mauer getrennt sind, sollen am Aktionstag 3. Juni mexikanische und US-amerikanische Musiker gemeinsam mit den Sinfonikern auftreten und auf beiden Seiten gleichzeitig Konzerte geben. Markus Rindt: „Unser Ziel ist es, ganz viele Menschen entlang dieser 3.200 Kilometer langen Grenze zu inspirieren, sich diesem Projekt anzuschließen und eigene Aktionen zu machen. Jeder soll seine Stimme erheben gegen diesen schlimmen Plan.“ Die Aktivisten aus Dresden erhoffen sich für diesen Tag auch von der Bevölkerung im Grenzgebiet ganz eigene, persönliche Formen des Protestes – mit Gedichten, Liedern oder anderen Performances; wichtig sei, dass am 3. Juni ein unüberseh- und vor allem unüberhörbares Zeichen gesetzt werde.

Dafür starten die Sinfoniker just am 6. April eine weltweite Kickstarter-Kampagne, über die all diese Vorhaben finanziert werden sollen. Die Musiker erhoffen sich allerdings, dass nicht nur das Geld zusammenkommt (von circa 15.000 Euro ist die Rede), sondern dass damit die Aufmerksamkeit so vieler Menschen wie möglich geweckt werden kann. Markus Rindt und seine Mitstreiter würden es befürworten, wenn sogar eine Bewegung daraus wird. Sie haben alles Nötige dafür auf ihrer Homepage sowie per Twitter und Facebook vorbereitet. Die Spendenaktion ist übrigens mit Gegengaben verbunden, die assoziative Namen wie „Brecheisen“, „Abrissbirne“ oder „Bulldozer“ tragen.

Wie akut solch ein Konzertprojekt ist, bei dem auch mit Kinderchören auf beiden Seiten der Grenze gearbeitet werden soll, zeigt der sogenannte Freundschaftspark an der Grenzbefestigung zwischen Tijuana und San Diego. Bei diesem Namen – original „Friendship Park“, gegründet 1971 von Präsidentengattin Pat Nixon – sollte anzunehmen sein, dass Menschen sich wirklich begegnen. Ursprünglich habe es dort lediglich einen Stacheldrahtzaun gegeben, inzwischen wurden stählerne Gitter errichtet, die selbst für eine Handberührung undurchdringlich sind. Lediglich mit den Fingerkuppen können sich Mitglieder getrennter Familien betasten. Jeweils samstags sei „Besuchszeit“, eine besondere Form von politischer „Großzügigkeit“ der Vereinigten Staaten.

Dass nun ein Orchester aus Deutschland an solch einem Ort auftritt – die Mitglieder der Dresdner Sinfoniker sind überwiegend mit dem Hintergrund der deutsch-deutschen Teilung aufgewachsen –, ist ein absolutes Novum. Gemeinsam mit mexikanischen und US-Musikern soll gegen diese unmenschliche Barriere protestiert werden. Markus Rindt wünscht sich gar ein Event, das an sämtlichen Grenzorten vom Pazifik bis hin zum Atlantik reichen könnte. Dieser Protest richte sich aber ebenso gegen die Grenzen, die Ungarn errichtet hat, die zwischen der Türkei und Syrien, in Marokko und anderswo stehen: „All das verurteilen wir absolut!“

Die Dresdner Sinfoniker, deren musikalische Projekte seit Jahren mit gesellschaftspolitischen Ambitionen verbunden sind, stehen mit ihrem Vorhaben in besten Traditionen eines Roger Waters („The Wall“) sowie eines Mstislaw Rostropowitsch, der 1989 an der Berliner Mauer musiziert hat. Sie wollen darauf aufmerksam machen, wie sehr insbesondere jene Menschen leiden, die vor Krieg und Elend fliehen mussten. „Sie sind aber schon nicht mehr so präsent in den Medien, dass es die breite Masse erreicht“, konstatiert Markus Rindt. „Allwöchentlich ertrinken zahllose Menschen im Mittelmeer – die Dunkelziffer ist unbekannt –, aber Europa schottet sich immer mehr ab, hat Angst vor dem Anderen.“ Angesichts dieser Tatsachen sei es an der Zeit, diesen Satz wieder in die Welt zu rufen: „Tear down this wall!“ Musik kennt keine Grenzen.


Tear Down This Wall: TAZ

taz

Geigen gegen die Mauer von Trump

10. April 2017

Die Dresdner Sinfoniker spielen am 3. Juni in San Diego

Gegen den Ausbau des Grenzzauns zwischen den USA und Mexiko zu einer Mauer regt sich auch aus Künstlerkreisen Widerstand. Im Rahmen ihrer Mexiko-Tournee wollen die Dresdner Sinfoniker am 3. Juni mit einem Konzert gegen die Mauer protestieren. Es soll im küstennahen Friendship-Park von San Diego, Tijuana, unter Beteiligung von Musikern beider Länder stattfinden.Das Motto „Tear down this wall“ ist einem Ausspruch des früheren US-Präsidenten Ronald Reagan entlehnt. Zugleich rufen die Sinfoniker zu einem Kunst-Happening entlang der 3.200 Kilometer langen Grenze auf.

„Wir hatten immer schon Interesse an anderen Kulturen und deren Musik. Dabei kommt man an deren politischen Problemen nicht vorbei“, erklärt Intendant Markus Rindt. Der 49-jährige Hornist gründete vor 20 Jahren gemeinsam mit Sven Helbig die Dresdner Sinfoniker, ein vorwiegend der Gegenwartsmusik verpflichtetes Projektorchester. Ihr gesellschaftliches Engagement führte sie bereits nach Palästina und in andere Konfliktregionen. Im Vorjahr erregte ihr Projekt „Aghet“ über den türkischen Völkermord an den Armeniern Aufsehen. Nach Aufführungen in Berlin und Dresden-Hellerau kam ein geplantes Konzert in Istanbul nicht zustande.
Rindt reagiert auch persönlich sehr allergisch auf die neue „Einmauerungswelt“. Im Oktober 1989 gehörte er zu den Flüchtlingen, die über die Prager Botschaft die DDR verlassen konnten. „Durch Abschottung hat sich das Elend auf der Welt nicht verbessert“, mahnt er. Nun hofft er, dass der Auftritt der Sinfoniker an der mexikanischen Grenze weitere Aktionen initiiert.

Über Netzwerke und im Internet unter www.tear-down-this-wall.org ruft das Orchester zu weiteren „originellen Aktionen“ entlang der Grenze am 3. Juni auf. Schon jetzt lässt der engmaschige Zaun nur „Fingerküsse“ zu, kann aber eine musikalisch-akustische Verbindung von Musikern beider Seiten nicht verhindern. Die Dresdner Sinfoniker werden nur in Big-Band-Besetzung von etwa einem Dutzend Musikern aus Deutschland anreisen und sich vor Ort verstärken. Auch mit zwei Kinderchören ist man im Gespräch. Popstars wie Roger Waters oder Pink Floyd sind angefragt.
Die zusätzlichen Kosten von etwa 15.000 Euro wollen die Musiker mit einer Crowdfunding-Kampagne über die Kickstarter-Plattform finanzieren. Bereits am ersten Tag, dem vorigen Donnerstag, gingen 600 Euro ein. „Keine Stiftung würde hier fördern“, bedauert Markus Rindt. „Das wäre politisch zu heiß!“

MICHAEL BARTSCH


Tear Down This Wall: DNN

Dresdner Neueste Nachrichten

Dresdner Sinfoniker mit Konzertprojekt gegen Trumps Mauer-Pläne

6. April 2017

Gegen die „Einmauerung der Welt“: Am 3. Juni wollen die Dresdner Sinfoniker mit einem Aufsehen erregenden Konzert in Mexiko gegen den geplanten Grenzwall von US-Präsident Donald Trump protestieren. Vom Atlantik bis zum Pazifik sollen sich internationale Musikerinnen und Musiker beidseits der Mauer Gehör verschaffen.

San Diego/Tijuana/Dresden. Es ist weit mehr als eine Marotte: Die Dresdner Sinfoniker sehen ihre musikalische Arbeit als Engagement gegen bestehendes Unrecht. Ob in Palästina oder Jordanien, ob beim „Aghet“-Projekt gegen den türkischen Völkermord an den Armeniern oder ob jüngst mit „I EXIST – nach Rajasthan“ (DNN berichteten) – die Musiker um Marc Sinan und Intendant Markus Rindt wollen ein Bewusstsein schaffen für die Gewalt, die Menschen anderen Menschen antun. Ihr ausdrückliches Ziel solcher Aktionen ist allerdings nicht Anprangern, sondern Versöhnen.

Angesichts einer Einladung nach Mexiko lag denn auch nichts näher, als „die geplante ‚schöne‘ Mauer von Donald Trump“ zu thematisieren, meint Markus Rindt gegenüber DNN. „Wir als Ostdeutsche haben natürlich eine spezielle Sicht auf solche Dinge“, erklärt er das damit verbundene Anliegen, „aber es geht uns nicht allein um diesen neun Meter hohen und angeblich unüberwindbaren Wall, der die USA vom Atlantik bis zum Pazifik dichtmachen soll, sondern um die Einmauerung der Welt.“ Mit Erschrecken sei dieser Trend – ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs zwischen Ost und West – auch in Europa zu registrieren.

In geteilten Städten wie zum Beispiel in Tijuana und San Diego, wo die Mauer schon jetzt bis ins Meer hineinreicht, sollen am 3. Juni mexikanische und US-amerikanische Musiker gemeinsam mit den Sinfonikern auftreten und auf beiden Seiten gleichzeitig Konzerte geben. Markus Rindt hebt hervor, dass dort also nicht nur die Gäste aus Dresden musizieren werden. „Unser Ziel ist es, ganz viele Menschen entlang dieser 3200 Kilometer langen Grenze zu inspirieren, sich diesem Projekt anzuschließen und eigene Aktionen zu machen. Jeder soll seine Stimme erheben gegen diesen schlimmen Plan.“ Es seien bereits Kontakte zu diversen Bands und Chören geknüpft worden. Die Aktivisten erhoffen sich für diesen Tag aber auch von der Bevölkerung im Grenzgebiet ganz eigene, persönliche Formen des Protestes, ob mit Gedichten, Liedern oder anderen Performances – wichtig sei, dass an diesem Datum des 3. Juni ein unüberhörbares Zeichen gesetzt werde.

Dafür startet heute eine weltweite Kickstarter-Kampagne, über die diese Aktion finanziert werden soll. Die Sinfoniker erhoffen sich davon – sowie von einer breit angelegten Pressearbeit – derart viel Aufmerksamkeit, dass nicht nur das Geld zusammenkommt, von gut 15 000 Euro ist die Rede, sondern dass damit so viele Menschen wie nur möglich erreicht werden. „Warum sollen nicht auch Interessierte aus Los Angeles und Mexico City zu diesen Aktionen in die Grenzregion reisen?“, fragt Markus Rindt und wagt einen vorsichtigen Blick nach vorn: „ Wer weiß, vielleicht wird sogar eine Bewegung daraus. Wir bereiten das alles auf unserer Homepage sowie per Twitter und Facebook vor.“ Spender erhalten Gegengaben mit assoziativen Namen wie „Brecheisen“, „Abrissbirne“ oder „Bulldozer“.

Wie akut dieses Konzertprojekt tatsächlich ist, erläutert der Intendant mit folgendem Beispiel: „Wir wollen mit zwei Kinderchören zu arbeiten, die auf beiden Seiten der Grenze stehen. Es gibt dort einen sogenannten Freundschaftspark – bei diesem Namen stellt man sich vor, dass Menschen sich wirklich begegnen.“ Früher sei dies noch möglich gewesen, da habe es lediglich einen kleinen Stacheldrahtzaun gegeben. Aber dann sei die Grenzbefestigung zwischen Tijuana und San Diego immer stärker ausgebaut worden. „Heute steht dort ein riesiges Maschendrahtgitter“, empört sich der Dresdner Künstler, „da kann nicht mal mehr die Hände durchstecken, nur noch die Finger – die Menschen der getrennten Familien berühren sich lediglich an den Fingerkuppen!“ Jeden Samstag sei „Besuchszeit“ in dieser nur 15 Meter breiten Zone zwischen den Staaten, da spielen sich stets bewegende, oft auch dramatische Szenen ab.

Zweimal im Jahr demonstriere die USA ihre „Großzügigkeit“, erzählt Markus Rindt, und öffne das Tor für genau 180 Sekunden. Eine unvorstellbare Demütigung: „Dafür muss man sich bewerben, insgesamt werden sechs Personen ausgewählt, die sich genau diese 180 Sekunden lang in die Arme nehmen können.“

Der Name Friendship Park sei nicht ironisch, sondern tatsächlich so gemeint. Mit wirklichen Begegnungen habe das aber nichts zu tun, so Rindt, denn dort herrsche fast eine größere Isolation als im Gefängnis. „Und trotzdem soll es nur ein sein Vorgeschmack auf das, was da noch kommen soll!“

Wenn an solch einem Ort ein Orchester aus Deutschland auftritt, dessen Mitglieder überwiegend mit dem Hintergrund der deutsch-deutschen Teilung aufgewachsen sind, ist das ein Novum. Dass sie nun mexikanische und US-Musiker mit im Boot haben, dürfte ein Fanal werden. Denn: „Auch die Barrieren, die Ungarn errichtet, die Grenze zwischen der Türkei und Syrien, die Sperren in Marokko – all das verurteilen wir absolut!“ Die Dresdner Sinfoniker, deren musikalische Projekte seit Jahren mit gesellschaftspolitischen Ambitionen verbunden sind, wollen darauf aufmerksam machen, wie sehr die Menschen leiden, insbesondere jene, die vor Krieg und Elend fliehen mussten. „Sie sind aber schon nicht mehr so präsent in den Medien, dass es die breite Masse erreicht“, konstatiert Markus Rindt. „Allwöchentlich ertrinken zahllose Menschen im Mittelmeer – die Dunkelziffer ist unbekannt –, aber Europa schottet sich immer mehr ab, hat Angst vor dem Anderen.“ Angesichts dieser Tatsachen sei es an der Zeit, an den Satz von Ronald Reagan zu erinnern: „Mister Gorbatschow, tear down this wall!“ Die Dresdner Sinfoniker haben ihn zum Titel für ihr grenzüberschreitendes Vorhaben gemacht.

www.tear-down-this-wall.org

Von Michael Ernst


Tear Down This Wall: Concerti

Concerti

Weil niemand Grenzen braucht

10. April 2017

Die Dresdner Sinfoniker planen gemeinsam mit mexikanischen und US-amerikanischen Musikern am 3. Juni 2017 ein grenzübergreifendes Konzert an der Mauer zwischen den USA und Mexiko

Ein Statement gegen Abgrenzung und Ausgrenzung – das ist das erklärte Ziel der Dresdner Sinfoniker. Mit der Aktion „Tear Down This Wall“ rufen die Musiker Menschen weltweit dazu auf, ein Signal gegen Fanatismus und Nationalismus zu setzen und zeitgleich weitere Konzerte, Kunstaktionen oder Performances an der mexikanisch-amerikanischen Mauer zu initiieren. Am 3. Juni soll deshalb entlang der gesamten 3.200 km langen Grenze ein monumentales Happening stattfinden. Der Beitrag der Dresdner wird dazu ein grenzübergreifendes Konzert sein, das gemeinsam mit mexikanischen und US-amerikanischen Musikern im Friendship Park stattfinden soll.

Seit Jahren engagieren sich die Dresdner Sinfoniker mit ihren musikalischen Programmen gesellschaftspolitisch und setzen sich entsprechend für Weltoffenheit und Vielfalt ein. So etwa auch 2016 mit dem deutsch-türkisch-armenischen Konzertprojekt „aghet – ağıt“, das an den Genozid an den Armeniern erinnerte und weltweit für Schlagzeilen sorgte.

Das aktuelle Projekt „Tear Down This Wall“ kann auf dem Crowdfunding-Portal www.kickstarter.com („Dresdner Sinfoniker“) unterstützt werden. Neben diversen kleinen Aufmerksamkeiten verleihen die Dresdner Sinfoniker ihren Förderern sinnhafte Zertifikate wie Kneifzangen, Brecheisen, Vorschlaghammer, Abrissbirnen oder Bulldozer. Begleitet wird die Aktion von dem Appell, die eigene Performance am 3. Juni an der Mauer unter dem Hashtag #teardownthiswall zu twittern.