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DRÜBEN
Eine deutsche Zeitreise

DRÜBEN
Eine deutsche Zeitreise
Vor 35 Jahren wurde mit der Wiedervereinigung Deutschlands ein historisches Kapitel geschlossen – und zugleich ein neues aufgeschlagen. Die Dresdner Sinfoniker widmen diesem Wendepunkt mit DRÜBEN ein außergewöhnliches Konzert, das kollektive Geschichte sinnlich erfahrbar macht. Es geht nicht nur um Erinnerung, sondern auch um Reflexion und ein musikalisch-theatrales Innehalten: Was bedeutete damals „Einheit“? Was bedeutet sie heute?
Das Projekt ist persönlich geprägt vom Intendanten der Dresdner Sinfoniker, Markus Rindt. Im Sommer 1989 floh er selbst aus der DDR – über die Prager Botschaft – in die Bundesrepublik. Der erste Halt des Sonderzugs: der Hauptbahnhof Hof. Die große Herzlichkeit, mit der ihm damals begegnet wurde, ist für ihn unvergesslich. Die Aufführung von DRÜBEN in Hof ist für ihn daher nicht nur symbolisch, sondern zutiefst persönlich.
Grenze als Erfahrung
Das Konzert beginnt nicht mit dem ersten Ton, sondern mit dem Betreten des Saals. Das Publikum wird am Einlass in zwei Gruppen aufgeteilt – „Ost“ und „West“. Schauspieler:innen in der Rolle von Grenzposten prüfen „Einreisedokumente“, der Zugang erfolgt getrennt. Auch im Inneren bleibt diese Teilung sichtbar: Eine symbolische Mauer durchzieht den Saal, trennt das Orchester, durchschneidet die Publikumsreihen. Auf einem Wachturm über der Mauer dirigiert Jonathan Stockhammer die beiden Hälften des Orchesters.
Begleitet von Videoprojektionen mit Archivmaterial – Werbung, TV-Bildern, Propaganda – entsteht ein dichtes Stimmungsbild der geteilten Nachkriegsgesellschaften. Zwei Sänger:innen intonieren – unterstützt jeweils vom Ost- oder West-Orchester – Songs aus der Popgeschichte der beiden Deutschlands. Silly trifft auf Lindenberg, Pankow auf Geier Sturzflug. In der Verfremdung durch Sprechgesang, Ruf und Choreografie entsteht ein ganz eigener, neuer Dialog zwischen den musikalischen Identitäten von Ost und West.
Zwei Auftragskompositionen für die Gegenwart
Zentraler Bestandteil des Abends ist das Werk Utopian Melodies (yelling at me!) des Münchener Komponisten Markus Lehmann-Horn. Die Auftragskomposition zitiert, dekonstruiert und collagiert bekannte Hymnen und nationale Tonfolgen, die Identität und Ideologie musikalisch kodieren. Dabei verweist das Stück nicht nur auf die deutsche Geschichte, sondern auf globale Phänomene: Trennungen, Nationalismen, die Sehnsucht nach Zugehörigkeit. Am Ende dieses intensiven musikalischen Erlebnisses fällt die Mauer – ganz real im Raum und als klangliche Auflösung.
Nach der Pause erweitert sich die Perspektive: Die britische Komponistin Charlotte Bray, geboren 1982, wirft in Landmark einen poetischen, zugleich kritischen Blick auf das Erbe der Wiedervereinigung. In ihrem Werk spiegelt sich ihre eigene Biografie ebenso wie die Ambivalenz aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen. Hoffnung und Aufbruch stehen neben Spaltung und Entfremdung. Das Stück endet leise, mit einer offenen Frage: Was haben wir gelernt?
Ein versöhnlicher Schluss – und ein Weckruf
Zum Abschluss erklingt Igor Strawinskys Konzert für Klavier und Bläser, entstanden 1923/24 in Paris – ein brillantes Werk zwischen barocker Strenge, modernem Rhythmus und jazziger Virtuosität. Der international gefeierte Pianist Andreas Boyde interpretiert das Konzert als heiteren Kontrapunkt, aber auch als künstlerische Synthese: das kreative Miteinander unterschiedlicher Traditionen, die über nationale und ideologische Grenzen hinweg ihre eigene Sprache finden.
DRÜBEN ist mehr als ein Konzert: Es ist eine Reise durch Geschichte, Erinnerung und Gegenwart. Es berührt politisch wie emotional, verbindet Musik, Theater und gesellschaftliches Nachdenken. In einer Zeit, in der neue Mauern entstehen – sichtbar und unsichtbar – erinnert das Projekt an die Kraft der Verbindung, der Empathie und der Kunst.

Termin
03. Oktober 2025 | 19:30 Uhr | Hof
Freiheitshalle Hof
Jubiläumskonzert 35 Jahre Deutsche Einheit
Programm
Ost-/West-Fernsehprogramm
Franziska Abram, Cornelius Uhle Hüben & Drüben
Arrangement: Wieland Reissmann
Markus Lehmann-Horn Utopian Melodies – yelling at Me!
Uraufführung
Charlotte Bray Landmark
Uraufführung
Igor Strawinsky Konzert für Klavier und Blasorchester
Andreas Boyde Klavier
Jonathan Stockhammer Musikalische Leitung
Dresdner Sinfoniker
Idee und Künstlerische Leitung: Markus Rindt
Auf Grundlage einer Inszenierung von Tom Quaas
Mauer: 11. Klasse der FOS BOS Hof unter der Leitung von Anne Geyer
Fernsehprogramm: Ben Deiß & Markus Rindt
Ein Projekt der Dresdner Sinfoniker und der Stadt Hof in Kooperation mit der Stiftung Orte der Deutschen Demokratiegeschichte. Gefördert von der Sparkasse Hochfranken.



